Spricht man vom Jaguar X-Type oder schreibt man darüber kommt man nicht umhin sich eine grundsätzliche Frage zu stellen: Ist der X-Type eine genialer Wurf in Technik und Design und von epochaler Bedeutung für dessen Hersteller Jaguar? Hand aufs Herz – der X-Type ist weder das eine noch das andere. Er ist halt eigentlich irgendwie passiert und hat in der eingefleischten Jaguar-Fan-Gemeinde keine wirkliche Akzeptanz gefunden, dafür aber jede Menge Kritik: Er ist kein Jaguar, sondern ein Ford Mondeo, keine Qualität und somit kein echter Jaguar.
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Steht der X-Type in der Tradition der Marke Jaguar?
Diese Frage wird wohl jeder sofort mit Nein beantworten. Denkt man an MK2, der vielleicht der letzte Vertreter eines „kleinen“ Jaguar war, fällt einem sofort der 3.8 ein – damals der schnellste Viertürer am Markt und mit Scheibenbremsen obendrein. Diese Nische haben in den haben in den angehenden 2000ern ein BMW M3 oder ein Mitsubishi Lancer Evo viel besser besetzt. Das X-Type Publikum wurde mit Lifestyle angelockt: Hübsch frisierte Mittdreißiger mit Babour-Jacke und Jodpour-Boots führten ihre Jagdhunde spazieren. Lifestyle ist heute anders und der Nachfolger des X-Type, der XE, wird auch deutlich anders präsentiert: Das limitierte Topmodell XE SV PROJECT 8 mit 600PS und dem 5.0 Supercharged V8 ist der stärkste Wagen, den man bei Jaguar jemals auf die Kundschaft losgelassen hat. Neben dieser Präsenz ist rechts und links kein Platz für einen BMW oder einen Mitsubishi, der 911 hängt am Abschlepphaken und den Jagdhund hat man ins Tierheim gebracht, der Supercharger jault genug.
Aber zurück zur Frage ob der X-Type in der Tradition der Marke steht: Der MK2 wurde in Stückzahlen als 2.4 mit 140 PS gebaut, was mit einem Automatikgetriebe nicht unbedingt als Inbegriff der Agilität galt. Immerhin war der Reihensechser von Jaguar selbst und der MK2 war auch kein Kleinwagen. Das ist der X-Type auch nicht. Die Kritiker bemängeln in erster Linie die Ford-Großserientechnik, die beim X-Type zum Einsatz kam. Für sie war der X-Type kein echter Jaguar schon deshalb. Abgesehen davon war das Einstiegsmodell in der Wahrnehmung der immer älter werdenden Jaguar-Klientel der XJ mit dem 3.2 V8 und von einem Jaguar mit Diesel wollte keiner was hören. Gekauft wurden Diesel trotzdem, von einer Klientel die etwas vom Jaguar-Lifestyle wollten ohne eine Tankstelle besitzen zu müssen.
War der Bruch markenfremde Teile und Motoren zu benutzen gleichzeitig der Bruch mit der Tradition? Erinnern wir uns an die Anfänge von Jaguar: Die ersten Automobile in der Historie des Autobauers waren mit 4- und 6-Zylindern und Großserientechnik von der Standard Motor Co ausgestattet. Die Klientel liebte die schnittigen Karosserien und der Mythos Jaguar – damals ein Modellname – war geboren. Auf die Frage ob der X-Type nun in der Tradition des Unternehmens steht, wird man sicherlich genügend Argumente dafür und dagegen finden. Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Eines steht jedoch fest: Der X-Type wurde von Jaguar-Ingenieuren und dem Design-Team um Geoff Lawson entworfen und der Katalysator war die Konzernmutter Ford.
Dann gab es noch eine hässliche Geschichte …
Dann gab es noch eine hässliche Geschichte – die weniger der Wahrheit entspricht aber von „Hatern“ lanziert mündlich weiter gegeben wurde. Automobile Fake-News sozusagen. Demnach sollte der X-Type gleich einem frankensteinschen Monster nur entstanden sein, weil der auslaufende Ford Scorpio unverkäuflich war. Eine bösartige Fratze von einem Automobil das bei Händlern zu rosten begann. Ford hat die Fahrzeuge angeblich dann zurückbeordert und die wurden demontiert. Aus den Teilen hat man dann den X-Type zusammengebaut und auf unbedarfte Käufer losgelassen. Eine Monstrosität also, ein Etikettenschwindel und letztlich ein Beleg dafür, dass für viele es ausreicht eine Geschichte nur oft genug zu hören um das für bare Münze zu nehmen. Fakten interessieren eben nicht – es wird schon was Wahres dran sein, oder nicht?
Die Wahrheit ist, dass markenübergreifende Plattformen bei fast jedem Autokonzern zu finden waren und Möglichkeiten bot interessante Fahrzeuge au die Räder zu stellen. Der Chrysler Crossfire teilte sich die Plattform mit dem Mercedes SLK. Der VW Phaeton entstand auf der selben Plattform wie Bentley und der New Beetle auf der Plattform des VW-Golf. Darüber rümpft niemand die Nase.
Die CD132-Platform
1998 wurde als „kleiner Jaguar“ der S-Type vorgestellt und in Stückzahlen sogar ein Achtungserfolg. Als dann im März 2001 der X-Type präsentiert wurde hatten die großen Hersteller alle mit Überkapazitäten zu kämpfen. Dem X-Type wurde von der Presse kein großer Erfolg beschieden. Dann gab es noch das Problem mit dem Vorderradantrieb. Fahrdynamisch machte ein Hinterradantrieb einfach mehr Spaß und das würde man dem X-Type in jedem Vergleich mit der BMW 3er Serie übel nehmen. Ford hatte jedoch für den X-Type die CD132-Platform die er sich mit dem Ford-Mondeo teilen sollte vorgesehen. Die Antwort der Jaguar-Ingenieure des X-Type war einfach: AWD oder Allradantrieb. Der X-Type war zunächst nur mit Allrad erhältlich.
Über 350.000 X-Type von 2001-2009
Der X-Type wurde von 2001-2009 gebaut und das über 350.000 mal. Ja, der X-Type war ein wirtschaftlicher Erfolg für Jaguar. Die Trennung von Ford brachte auch das Ende des X-Type und vermutlich auch den Willen den X-Type in Ersatzteilprogrammen zu unterstützen. Ford ist sowieso nicht gerade berühmt dafür Ersatzteile abseits der Verschleißteile über den gesetzlich verankerten Zeitraum anzubieten. Die X-Type kämpfen heute mit Korrosion und einer schlechten Ersatzteilversorgung. Trotz der Stückzahlen sucht man Steuerkettensätze für die frühen V6 vergeblich. Katalysatoren kosten entweder jenseits der € 1000 oder es gibt einfach keine mehr. Aftermarket-Ersatzteile sind die Ausnahme und auch Teile die angeblich Großserie sind, findet man auch nur abseits der üblichen Pfade.
Der Jaguar X-Type am Gebrauchtmarkt
Der durchschnittliche Gebrauchtwagenkäufer macht um den X-Type einen Bogen. Fahrzeuge mit Mängeln bekommt man um kleines Geld – und ich meine wirklich kleines Geld. Ich habe schon brauchbare Fahrzeuge um € 1000 gesehen. Bei den Preisen lohnen sich für viele Investitionen nicht und das Ende am Schrottplatz ist unausweichlich.
Kann man sich vor diesem Hintergrund überhaupt einen X-Type kaufen? Als Klassiker oder Youngtimer einmal sicher nicht. Dafür ist der X-Type einfach zu jung und wird auch niemals ein gesuchtes Sammlerstück. Der X-Type gehört nicht in eine Sammlung, aber um zur Sammlung zu fahren, macht er durchaus Sinn. Als Einstieg in die Marke ist der X-Type durchwegs geeignet. Die Anmutung im Innenraum ist nicht so schlecht und fühlt sich mindestens genau so gut wie in einem S-Type an. Den X-Type gab es in zwei Karosserievarianten, einmal als Viertürer (Limousine will mir da nicht so einfach über die Lippen) und einmal als „Estate“, besser bekannt als Kombi. Letzterer hat einen sehr hohen Nutzwert, da sehr praktisch. Im Design des Kofferraums und der 60/40 Rücksitzbank erkennt man den BMW E36 wieder – was nicht unbedingt gegen den X-Type spricht. Warum sollte man Bewährtes nicht übernehmen. Nett ist auch die Möglichkeit nur die Rückscheibe zu öffnen ohne den ganzen Heckdeckel auf zu machen. Auch der Viertürer hat eine umklappbare Rücksitzbank und eine gute Durchlademöglichkeit, wirkt aber eher wie ein etwas zu heiß gewaschener XJ. Der Kombi ist ganz sicher die bessere Wahl. 2008 gab es ein Facelift, das sich auf die Front und das Heck beschränkte und den X-Type stark verjüngt. Faceliftmodelle sind jedoch etwas teurer in der Anschaffung.
Wer kann sich also einen gebrauchten X-Type kaufen?
Wer sein Auto einmal im Jahr in die Werkstatt bringt und sich sonst nicht um sein Auto kümmern will, sollte davon absehen. Die Ersatzteilversorgung ist schlecht und Werkstätten, die nur die normalen Ersatzteilversorgung kennen sind dann oft überfordert. Wer einen X-Type hat soll damit rechnen auch auf Ebay nach gebrauchten Teilen zu suchen oder sich den Weg durch alle möglichen Quellen zu bahnen um sein Fahrzeug in Schuss zu halten. Die Situation wird nicht besser – was nicht schlecht sein muss. Fahrzeuge, die am Schrottplatz landen, dienen als Ersatzteilspender für andere. Außerdem sollte man sehr zügig Rostvorsorge in Angriff nehmen, sonst gewinnt der Rost überhand und das eigene Auto leistet seinen Betrag zur Ersatzteilversorgung.
Je weniger Ausstattung ein Auto hat, desto weniger kann kaputt werden und einem die Freude am X-Type trüben. Allrad ist sicher toll, geht aber auf Verbrauch und das Transfergetriebe ist ein Schwachpunkt, der sehr teuer sein kann. Der 2.0 Diesel teilt sich das Aggregat mit dem Mondeo und auch Mazda. Er ist relativ sparsam und gut im Durchzug. Ein 3.0 V6 braucht sicher gut 10l/100 km. Der Motor ist sehr agil und der AWD sicherlich auch sehr gut zu fahren, das ist aber ein XJ8 auch. Letztlich kann man einen X-Type sehr günstig kaufen mit ein wenig Geduld auf einen vernünftigen Stand bringen und man hat ein komfortables und modernes Fahrzeug, das man auf dem Parkplatz von den anderen unterscheiden kann. Man sollte aber den Willen zur „Ownership“ mitbringen, ein vergleichbares Auto bekommt man für das gleiche Geld nicht, Pace, Grace & Space inklusive.
Text Christopher Winter, Photos Jaguar Cars Pressephotos