Der X-Type & Ich


 

Der Jaguar X-Type und ich hatten immer ein ambivalentes Verhältnis zu einander. Als er neu auf den Markt kam, war er mit € 30 – 45.000 nicht in der Preisregion, die ich mir für ein neues Auto vorstellen konnte und mit meinem XJ40 XJ6 war ich so was von glücklich, dass ich erst gar nicht auf die Idee kam mir einen „unechten“ Jaguar kaufen zu wollen. Das überließ ich jenen, die ein Stück vom British Lifestyle haben wollten ohne die möglichen Abgründe die ein älterer XJ mit sich bringen konnte oder sich die luftigen Höhen im Kaufpreis, die ein neuer XJ8 mit sich brachte, leisten wollten.

Die nächsten paar Jahre hatte ich das Phänomen X-Type eher aus dem Augenwinkel beobachtet. Die Preise purzelten. Irgendjemand im Bekanntenkreis war stolz einen gebrauchten X-Type für € 12.000 erstanden zu haben. Ich habe mir zu selben Zeit einen XJ6 X300 gekauft und ich dachte um die € 9.000 Preisunterschied könnte ich mir sehr viel Benzin kaufen. 4 Jahre später habe ich den XJ6 um über 5.000 verkauft, der X-Type war bei € 6.000 angekommen. Und das war auch das Problem, welches ich mit dem X-Type hatte. Ich lebte im Stadtzentrum und brauchte eigentlich kein Alltagsauto. Autofahren war für mich Lifestyle und Freizeitbeschäftigung, ich beneidete niemanden der ein Vernunftauto fuhr. Abgesehen davon erschien es mir keineswegs vernünftig ein Auto zu kaufen, das mich zum einen nur von A nach B brachte und dabei „verbraucht“ wurde, also jedes Jahr mit einigen € 1000 Wertverlust behaftet war um letztendlich für ein paar hunderter in den Export zu gehen. So etwas repräsentierte der X-Type in meiner Wahrnehmung, offenbar auch zurecht.

Dann gab es noch etwas, das ich beobachtete. Eine Krankheit so zusagen. Man sah immer mehr „aufgehübschte“ X-Type im nachhinein versehen mit einem Leaper, also der klassischen Kühlerfigur auf der Motorhaube, den Insignien der großen Limousinen und dann auch noch fallweise rot lackierte Bremssättel oder andere Zu-und Anbauten, die der Erscheinung er ab- als zuträglich waren. Der X-Type war bei jenen angelangt die Autos durch Aufkleber und Klimbim schneller und besser machten: Den „Ricern“ die Autos mit Tand bewerfen. Ein solcher aufgehübschter X-Type wurde mir mal zum Kauf angeboten. Aus morbider Neugier und ohne tatsächliches Interesse sah ich mir das Auto genauer an. Der dunkelblaue Lack war mit weißer Folie zugeklebt. Was darunter war? Keine Ahnung. Der Motor klang wie ein Sack voller Wahlnüsse und aus den € 800 waren am Ende des Gesprächs € 350 geworden. Die habe ich nicht geboten, das Angebot kam vom Verkäufer, der das Auto möglichst schnell loswerden wollte. Ich fuhr davon, so schnell wie legal möglich. Damit war das Thema X-Type vorerst erledigt.

Meine Lebensumstände hatten sich geändert. Ich brauchte plötzlich ein Alltagsauto zusätzlich zum Wochenendspassauto. Es folgten Fiat, Mini, BMW und letztlich wieder ein Fiat mit Erdgas Antrieb. Ein genial einfaches Auto. Sehr sehr sparsam und sehr umweltfreundlich. Das einzige Problem, das ich hatte war der Platz. Immer wieder hatte ich Sachen zu transportieren und letztlich musste ein Kombi her. Als jemand der mit Jaguar arbeitet, finden mich auch immer wieder mehr oder weniger interessante Autos dieser Marke. So auch ein schwarzer X-Type Kombi mit Unfallschaden an der Front und moderaten 145.000 km Laufleistung. Der 2.0 Diesel erschien auch wirtschaftlich interessant und entsprach auch sonst den Kriterien nach denen ich ein Auto suchte. Der Preis war Verhandlungssache und fiel wegen dem Schaden auch besonders günstig aus. Der Kombi brauchte eine neue Stoßstange, Grill und Motorhaube. Der Ersatzteilhändler meines Vertrauens hatte alles und auch das Heck von einem Facelift Modell. Diese Teile kosten inklusive der Verschiffung nicht weniger als das ganze Auto und hatten auch die passende Farbe. Wenn ich schon investierte, wollte ich das Fahrzeug auch optisch aufwerten. Facelift-Modelle sind selten und kosten auch heute noch meist über € 6.000. Nach zwei Nachmittagen sah der X-Type wieder ganz ansehnlich aus. Ich hatte auch nicht den Anspruch eines perfekten Mittelklassewagens, sondern wollte einen ansehnlichen Lastesel um wenig Geld.

Der fortlaufenden Entwertung in der Zeitwertrechnung war ich entkommen, für mich zählte der Nutzwert. Beim Auto sollte man eigentlich nie die finanzielle Komponente aus den Augen verlieren. Wer einen Neu- oder Jungwagen least oder finanziert ist Teil einer Industrie die weniger Nutzwert sondern Lebensgefühl gegen sehr viel Geld tauscht. Auch wer ein neues Auto bar bezahlt nimmt sich an anderer Stelle die Möglichkeit mit dem Geld zu arbeiten. Der Nutzwert eines neuen Skoda Octavia Kombi und eines Jaguar X-Type Kombi von 2005 ist in etwa gleich. Beide sind sicher, haben Airbags, ja sogar Seitenairbags, bieten Platz und haben in etwa den selben Verbrauch. Die Preisdifferenz beträgt über € 20.000, was jetzt nicht wenig Geld ist. Um diese 20.000 kann man sich zum Beispiel ein sehr schönes Jaguar XK8 Cabrio leisten oder einen Porsche Boxter, eine Weltreise oder ein Segelboot. Das sind alles Sachen, die eher den Wert halten und auch später wenn man des Cabrio-Fahrens überdrüssig geworden ist oder Geld für eine andere Investition braucht ohne große Verluste verkauft werden können. Natürlich kostet ein Zweitwagen Geld, Versicherung Garagierung und vieles mehr, dennoch sollte man sich das einmal durchrechnen und auch im Privaten unternehmerisch denken und sich fragen wie weit man am „Konsumerismus“ teilnehmen möchte.

Neben dem finanziellen Aspekt muss man als Autofahrer auch im Hinblick auf das Klima dieses Planeten das eigene Verhalten kritisch betrachten. Man kann es wie die einen machen, die das Problem der CO2-basierten Erderwärmung einfach ignorieren, SUVs, Pickup-Trucks etc. kaufen und dem Konsumwahn ungehemmt weiter folgen. Die andere Position ist die komplette Verweigerung. Das kann sich aber auch nicht jeder leisten. Viele sind beruflich einfach auf ein Fahrzeug angewiesen. Gerade als Jaguar-Fahrer ist man zwar selten aber doch mit dem „Alter-Stinker“-Totschlagargument konfrontiert. Genau so wenig wie ein Neuwagen finanziell Sinn ergibt, rettet man das Klima mit einem Neuwagen oder noch mehr Konsum. Mein X-Type wurde 2005 gebaut. Das heißt im Lebenszyklus dieses Fahrzeug fiel die maximale Belastung für die Umwelt, also die Tonnen an Gestein, die aus einer Eisenerzmine gesprengt wurde, die zehntausende Liter verschmutztes Wasser in der Aluminiumproduktion, vom Energieverbrauch ganz zu schweigen vor 15 Jahren an. Würde ich jetzt einen Neuwagen kaufen fällt diese Belastung, die im Lebenszyklus eines Autos wohl die größte Position im Klimasaldo des Produkts unmittelbar jetzt an. Neuwagen zu kaufen, auch wenn es Elektroautos sind, sind weniger Teil einer Lösung sondern vielmehr Teil des Problems. Es wird kein Manager eines Automobilproduzenten die Ehrlichkeit besitzen den Konsumenten reinen Wein einzuschenken. Ganz im Gegenteil. Die Lügen der Marketingabteilungen gehen ungehemmt weiter. Die Wahrheit, dass die geringste Belastung für das Klima, bestehende Güter, also auch Gebrauchtwagen, erheblich länger zu nutzen und gegen die Obsoleszenz der Produkte zu kämpfen und am Konsumwahn nicht teilzunehmen, steht den eigentlichen Interessen der Autoproduzenten entgegen und wird gerne verschwiegen.

Vor diesem Hintergrund habe ich auch den Entschluss gefasst den X-Type auch länger zu benutzen als gedacht und über die Zeit zu verbessern. In den letzten zwei Jahren habe ich mit dem X-Type 35.000 km zurückgelegt. Fällig waren gleich einmal die Bremsen, also neue Scheiben und Beläge. Da habe ich mich für qualitativ bessere Produkte entschieden, was ich nicht bereut habe. Billigprodukte verschleißen eher und sorgen für ungleiche Abnützung. Im Falle des X-Type habe ich mich für Aftermarket-Produkte von Brembo entschieden. Dazu kamen noch zwei hintere Bremssättel. Die zu bekommen war überraschend schwierig und teuer. Oder sagen wir lieber, es war schwierig preiswerten Ersatz zu bekommen. Es zeigte sich auch ein einseitiger Verschleiß auf einem Hinterreifen – Teile der überraschend komplizierten Hinterachse mussten ersetzt werden. Originalteile waren sehr teuer, aber zumindest verfügbar. Es gab sehr günstigen Aftermarket-Ersatz. Dann hatten die Jahre ohne Korrosionsvorsorge ihren Tribut eingefordert. Der Holm war unter einer Plastikverkleidung durchgerostet und musste geschweißt werden. Die Investitionen in Fahrwerk und Bremse und letztlich auch neue Reifen haben sich ausgezahlt. Der X-Type fährt sich wie ein Neuwagen. Jetzt hört man die Spannrollen am Aggregateriemen, die wohl als nächstes fällig werden. Der Heckscheibenwischer war zunächst komplett fest und ließ sich nicht bewegen. Ich habe den Mechanismus komplett zerlegt, von Korrosion befreit und neu eingefettet. Ersatzteile waren keine nötig.

Die Ausstattung ist aus Stoff, einem schwarzen samtartigen sehr hochwertigen Material. Das Material ist viel angenehmer als Leder, speziell im Winter. Etwas Pflege und der Innenraum glich dem eines Jahreswagens. Nur unter den Sitzen, bzw. unter den Fußmatten hatte der Teppich Räude und kahle Stellen. Für den X-Type spricht in jedem Fall eine für diese Klasse hochwertige Ausstattung, die sich gut anfühlt. Lederlenkräder und Ledersitze verschleißen im X-Type schneller als in einem XJ aus den 90ern. Wer so eine Ausstattung hat, muss bei Fahrzeugen jenseits der 200.000 km mit Reparaturen rechnen. Etwas enttäuscht bin ich von der Ersatzteilversorgung. Originalteile, auch für wichtige Komponenten, werden immer seltener. Einen Kat für einen Benziner sucht man vergebens. Auch sind die Teile zum Teil sehr teuer. Die Hoffnung, dass man auf reichlich Aftermarket-Teile wegen der Ford-Plattform zurückgreifen kann bewahrheitet sich nicht. Es gab auch einige verschiedene Motoren im X-Type, was den Ersatzteilbedarf verkompliziert, als z.B. nur zwei verschiedene Motoren. Wer einen X-Type hat, muss sich schon auch in der Ersatzteilbeschaffung selbst einbringen, Werkstätten schaffen das Abseits der üblichen Ersatzteilquellen selten. Man findet viele Gebrauchtteile online. Es ist ratsam keine Investitionen hinaus zu zögern, sondern erkannte Probleme zeit nah in Angriff zu nehmen, dann kann sich das durchwegs auszahlen einen X-Type zu haben.

Text und Photos: Christopher Winter