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Keinen Scheunenfund kann man vermelden!
Sondern in einer Garage in Tirol fanden die Erben eines Hauses diesen Jaguar XK150 Coupé aus dem Jahre 1960. Zunächst wussten die Erben – alles Nichten und Neffen des kinderlosen Erblassers – gar nicht, was sie gefunden hatten. Irgendwie war klar, dass es ein Jaguar sein sollte, aber welches Modell genau und was so eines wert sein könnte war letztlich gut für viele Spekulationen. Natürlich heizen ein paar Recherchen im Internet schnell die Phantasie an. Man finde genügend Händler im Ausland die das eine oder andere restaurierte Fahrzeug um viel Geld bewerben und man findet auch so manchen Edelschrott der um viel Geld feilgeboten wird. Es gibt Sie auch, die Geschichten, dass irgend ein XK150 gar eine halbe Million gebracht haben soll. Für Jäger und Entdecker solcher Garagenfunde ist das in erster Linie einmal egal. Es geht darum etwas zu entdecken und nicht nur die verschüttete Schönheit sondern auch die Geschichte, die das Fahrzeug dorthin brachte Stück für Stück frei zu legen.
Doch was ist wenn die Entdecker nicht viel am Hut haben mit Klassikern? Oder es mehrere Leute sind wie im Falle dieser Verlassenschaft. Keiner will sich übervorteilt sehen und so war es bestimmt erst einmal eine kluge Entscheidung sich einen Sachverständigen für Oldtimer an Bord zu holen, der eine Schätzung und ein Gutachten erstellt mit dem man dann an der Verkauf gehen kann. Es gibt aber auch Begleitumstände, die sich auf den Kaufpreis eines Klassikers auswirken. Am günstigsten sind am Markt Restaurierungsabbrüche zu haben – nicht immer zu recht – aber oftmals macht ein schlechtes aber komplettes Fahrzeug die Restauration leichter, weil man alle Teile am Platz hat und weiß wie das Auto zusammengebaut war.
Das war auch der Grund warum ein Scheunen-Fund eines ganz frühen Alu-XK120 bei den Spezialisten von Owen Automotive in Canada vor dem Verkauf zusammengebaut wurde, um dann bei einer Auktion über 160.000 Dollar zu erzielen. Hierzu gibt es ein Youtube-Video, das für XK-Fans sehr zu empfehlen ist.
Der XK150
Der XK150 um den es hier geht, ist auch komplett zerlegt und in Einzeilen und mit Hilfe des Profis konnte grob eruiert werden was da ist und was eine treffende Beschreibung und Wert des Fahrzeuges ist. Da es bereits einen Käufer für das etwas ältere und vermutlich auch schon etwas baufällige Haus gab und es Platz für ein neues Bauprojekt machen sollte, war beim Verkauf des Autos eine gewisse Eile geboten.
Es ist zumindest in der lokalen Jaguar-Szene bekannt, dass ich nicht nur mit Neuteilen, sondern auch mit gebrauchten Ersatzteilen handle. So bekam ich Kunde von diesem seltenen Fahrzeug in Teilen. Da keiner letztendlich sagen konnte, wie komplett der XK150 war, wurde mir das Fahrzeug eigentlich als Konvolut an Teilen zugetragen. Eine Preisvorstellung stand im Raum, die zumindest Sinn machte sich mit der Sache näher zu befassen. Als Händler bekommt man auch immer wieder Angebote, wo jemand glaubt in der Garage den heiligen Gral gefunden zu haben und einem wurde ein Gefallen getan, wenn man den auch angeboten bekommt mit einer Preisvorstellung die selbst die kühnsten Phantasien sprengen.
Als Händler legt man sich Teile auf Lager, die man verkaufen kann. Am Ende des Tages, muss man Gewinne erwirtschaften, für Lagerplatz bezahlen und Teile sind oft auch aufzuarbeiten. Oft kann man daher auch nur einen Bruchteil davon bezahlen, was sich Verkäufer oft vorstellen. Oft sind Teile auch für den Wiederverkauf wertlos, da es einfach keinen Market dafür gibt. Was bezahlt jemand für alte Speichenräder? Die gibt es neu und verchromt und keiner ernsthaft ehemals rostige Felgen auf einem Auto haben das über 200 km/h schnell ist. Oder die „alte“ Generation Bremssättel mit runden Belägen. Das ursprüngliche Material enthielt Asbest und verfügte über eine gute Wärmeableitung – bei Bremsen nicht verkehrt. Man musste die Bremsanlage komplett demontieren und die runden Beläge aufkleben – bei jedem Bremsservice. Alle Fahrzeuge wurden früher schon umgerüstet. Solche Sättel blieben über. Die sind als Raritäten gut um sie mal herzuzeigen, aber als Ersatzteil nicht zu verkaufen.
Jedes Angebot zählt
Ich halte es prinzipiell so, dass man sich zumindest mit jedem Angebot befassen sollte und nach einem Assessment aus der Ferne – ich hatte die Seiten des Gutachtens abfotografiert bekommen – war mir klar, dass ich interessiert war. Da der Erbenvertreter aus der Schweiz war und ich am anderen Ende von Österreich bin, die Corona-Pandemie auch alles erschwerte und Eile geboten war, gab ich ein verbindliches Angebot aus der Ferne ab, welches angenommen wurde. Vorab dann auch noch Geld zu überweisen für ein Fahrzeug, das man noch nicht gesehen hat, dafür braucht es Vertrauen. Natürlich habe ich auch schon so manche Erfahrung in meinem Leben gesammelt. So habe ich einmal einem Interessenten einen MK2, US-Modell inkl. Restaurierung aus England vermittelt. Ich war damals noch sehr jung und ich dachte ich könnte damit einen nachhaltigen Business aufbauen. Der österreichische Käufer, dachte er wäre schlau und hat mich letztlich umgangen und mich um meine Provision gebracht. Dann als das Auto, welches aufs schäbigste restauriert war, bei ihm ankam hetzte er mir auch noch seinen Anwalt auf den Hals, weil ich den Deal ursprünglich eingefädelt hatte. Auch die Firma die das Auto verkaufte hatte, wollte von einer Provision nichts wissen und war sogar kurz darauf von der Bildfläche verschwunden. Weil mir der gierige Kunde die Kontrolle entzogen hatte und mich umgangen hatte, war die Sache relativ schnell gegessen, aber so eine Erfahrung sitzt tief und man wird halt vorsichtiger. Aber mein Kontakt war sehr ehrlich in allem und auch auf Anhieb sympathisch. Mit der Zeit entwickelt man ein Gefühl dafür, wem man Vertrauen könne und wem nicht.
Trotzdem ein Auto aus der Ferne zu kaufen, ohne es vorher gesehen zu haben – wem würden da nicht einmal leise Zweifel kommen. Ich studierte die Bilder immer wieder und beruhigte meine Nerven damit, dass auch die Teile einen gewissen Wert darstellen, immerhin stand die Geburt unseres Sohnes bevor und man bedenkt jedes finanzielle Wagnis dreimal. Doch zumindest am Papier war ich der Eigentümer eines XK150 von 1960! Mein erster XK aus der frühen Generation und ich hatte dem Verkäufer am Telefon versprochen den persönlich zu restaurieren und nicht in Teilen zu verkaufen. Immerhin sollte der automobile Traum seines Onkels doch noch einmal fertig werden.
Die Bilder zeigten ein komplett zerlegtes Restaurationsobjekt. Der Innenraum nicht an seinem Platz. Es gab einen Haufen mit Chromteilen, einen Haufen mit Innenraumteilen, ein paar Instrumente, Rücklichter, eine Holzausstattung – ich wusste, dass der XK140 eine als Option hatte – beim XK150 war ich mit nicht ganz sicher. Der Leiterrahmen war blau angestrichen. Wer macht sowas? Die Karosserie wirkte auf den Fotos auch relativ solide – aber als geprüfter leidenschaftlicher Liebhaber alter Autos weiss ich wie sehr Fotos lügen können! Oft reicht es dann mal fest auf den Kotflügel zu klopfen und es rieselt eine Minute lang Dreck und Rost auf den Boden. Habe ich einen riesigen Rosthaufen gekauft? Habe ich ein Auto gekauft, dass mich beim Versuch es zu restaurieren finanziell ruinieren wird? Zweifel wird man in dem Fall immer haben – letztlich redet man sich ein, dass ein 150er auch als komplettes Wrack einen Wert darstellt. Doch „No Game – no Gain“ – hin und wieder muss man was riskieren. Also!
Ich hatte beschlossen, dass ich auf jeden Fall eine Restaurierung wagen möchte und da diese viel Zeit und Geld kostet, trifft man so eine Entscheidung auch nicht alleine. Meine Frau war zu dem Zeitpunkt hochschwanger und die Geburt unseres Sohnes nicht fern. Ich muss sehr gute Argumente gehabt haben, denn ich konnte meine Frau letztlich überzeugen, dass der Kauf eine gute Idee war. Sicher half die Vorstellung, dass das Fahrzeug und die Restaurierung und das damit verbundene Hobby ein Vater-Sohn-Ding sein sollte und wir genossen es bis jetzt schon mit unserem natürlich viel moderneren XK8 Ausflüge zu machen oder auf Veranstaltungen teil zu nehmen. Ein Engagement in Jaguar ist eben ein Familiending bei uns.
Was ist an einem XK anders?
Da ich erst Platz schaffen musste und den Transport organisieren dauerte es einen ganzen Monat bis ich endlich „meinen“ XK 150 abholen konnte. Natürlich beginnt man sich in die Materie rein zu lesen. Mein ältester Jaguar war bisher ein Daimler V8. Was war am XK anders? Vieles! Der XK ist einfach eine andere Generation von Auto. Das Abenteuer begann für Jaguar eigentlich schon während des zweiten Weltkrieges, als der Jaguar Gründer William Lyons mit seinen Ingenieuren während der Feuerwacht in Coventry an einem neuen Motorkonzept tüftelte.
Zwei oben liegende Nockenwellen sollten es sein, ein leistungsfähiges Aggregat – und schön anzusehen – war auch eine wichtige Ansage. Letztlich ist der große Wurf gelungen. William Heynes der Chefingenieur lieferte letztlich das Konzept und den Plan für den XK-Motor – ein Reihensechszylinder. Dieser wurde von 1948 bis 1992 – also 43 Jahre lang gebaut und sorgte in Le-Mans Rennwagen, Sportwagen, Limousinen und sogar Panzern für Vortrieb. Als Marketing-Gag wurde der Motor in einem eilig zusammengebauten – fahrbereiten – Konzept der Öffentlichkeit auf der London Motorshow 1948 präsentiert: Der XK120.
120 Meilen pro Stunde – das sind 193 km/h – sollte der Wagen laufen – deswegen auch der Name XK120. Das war für damalige Verhältnisse unerhört schnell. Da es schon auf der Messe viele Bestellungen gab, musste man wohl oder übel den XK120 in Serie fertigen. Eigentlich wollte man ja nur den Motor bewerben mit dem die prestigeträchtigen Limousinen Jaguars Cash-Cow aus der Zeit angetrieben werden sollten. Letztlich hat der SS100 – das sportliche Vorkriegsmodell seinen Nachfolger bekommen. Der XK wurde zu einem Erfolg. Die Hollywood-Legende Clark Cable bekam einen der ersten XK120, der mit der VIN 670003 vom Band lief. Aber auch unter heutigen Prominenten erfreut sich der XK immer noch großer Beliebtheit. Der Talkshow-Host Jay Leno hat gleich zwei davon, David Gandy, ein sehr erfolgreiches männliches Model, ließ sich bei Jaguar Classic einen XK120 nach eigenem Geschmack herrichten. 2700 Stunden wurden investiert – vom Material gar nicht zu reden. Der XK120 ist auch das Lieblingsauto von Ralph Loren. Der XK wurde zu einem Archetypen für Geschwindigkeit und Erfolg und zum schnellsten Serienwagen der Welt. Heute würde man wohl Supercar dazu sagen. Es folgten Rennsiege in Le Mans, der C-Type, Der D-Type alles Fahrzeuge die Jaguar zu dem machten was sie heute sind in der Wahrnehmung der Menschen.
Nach 12.000 gebauten XK120 folgte der XK140 bereits 1954. Das Grunddesign des XK140 hat sich zu seinem Vorgänger nicht wesentlich verändert. „Facelift“- würde man heute vermutlich dazu sagen. Um ganz ehrlich zu sein – modern wirkte auch der XK140 damals nicht. Das ist vielleicht den Charme den ein Jaguar aus den 1950ern hat. Irgendwie ist da auch die Vorkriegszeit drinnen und in der Tat nahm sich der Jaguar Chefdesigner und Firmengründer William Lyons Anleihen an den Bugatti, Talbot-Lago und Delaheye, die bereits in den 1930ern als Inbegriff von Luxus und Eleganz standen. Elegant waren die XK120 und XK140 allemal und vor allem schnell! Bereits nach 9000 Stück wurde der XK140 1957 vom XK150 abgelöst.
Auch wenn die Grundkonstruktion nicht wesentlich verändert wurde, erschien der XK150 wesentlich moderner. Die Panoramascheibe erlaubte besseren Ausblick und auch der Innenraum wirkte wesentlich geräumiger. Ich bin von etwas größerer Statur und habe in einem XK120 keinen Platz. Es ist physisch unmöglich für mich mit so einem zu fahren. Im XK150, speziell in einem Coupé, einem FHC, sieht die Sache schon viel besser aus. Bei meinen Recherchen fand ich einen XK150, der einem NBA Star gehört hatte. Wenn ein Basketballstar aus den USA damit fahren konnte, dann vermutlich ich auch!
Zum XK150 und seinen Vorgängern könnte man vermutlich ein Buch füllen – und in der Tat haben das auch schon mehrere getan. Erwähnenswert ist noch, dass vom Roadster 2.265, vom Coupé (FHC für Fixed Head Coupé) 4.445 und vom DHC, dem Cabriolet 2.672 Stück gebaut wurden. Das sind insgesamt 9382 XK150, das sind nicht sehr viele. Bereits im März 1961 kam der E-Type Serie 1 auf den Markt. Der XK150 war immer noch eines der schnellsten Serienautos seiner Zeit und überhaupt das erste Serienauto mit Scheibenbremsen auf allen vier Rädern. 1960 – da fuhren die meisten hierzulande ein 30 PS Auto und Ferraris gab‘s mit Trommelbremsen zu kaufen. Der XK150S brachte es mit 269 PS auf über 214 km/h. Grund genug, um beeindruckt zu sein. Auch heute noch.
Das Abenteuer hatte begonnen!
Je mehr ich mich in das Modell einlas, desto mehr begeisterte mich der XK150. Auf den Fotos hatte ich gesehen, dass er Scheibenbremsen auf allen Rädern hatte. Diese waren damals relativ neu, zumindest bei Autos (Bei Flugzeugen war das Konzept schon länger bekannt). Die Chassis-Nummer S 836883 wies ein „S“ als Prefix, also vorangestellt auf! Hatte ich gar eines der sehr seltenen und begehrten „S“-Modelle gekauft? Ich war nicht wirklich enttäuscht, als ich herausfand das mein 150er „bloß“ das SE, also Special Equipment-Modell war, also mit Scheibenbremsen und 210 SAE PS. Sinnigerweise haben die „S“-Modelle ein „T“ vor der Chassis-Nummer. Obwohl ich das Auto noch nicht in Händen hatte, habe ich mir ein Jaguar Heritage-Zertifikat geholt, also jene Geburtsurkunde wo alle bekannten Produktionsdaten meines XK150 vermerkt sind.
Natürlich hatte ich mir schon Gedanken gemacht, wie mein XK150 aussehen sollte. Schwarz vielleicht? Oder Gunmetal-Antrazitfarben? Cotswold Blue war eine Farbe die es mir angetan hatte mit grauer Ausstattung – so stellte ich mir den XK150 vor! Immerhin war es sowieso kein „Matching Numbers“-Auto, also wo alle Nummern zum Typenschild passten und Originalität oberstes Gebot war. Der baugleiche Motor stammte aus einem MK1. Als ich dann später fest gestellt hatte in welch gutem Zustand die originalen roten Ledersitze waren, entschloss ich mich jedoch dabei zu bleiben, den Originalzustand wieder herzustellen, also der Farbkombination „Cornish Grey“ und rotem Leder, das in der Kombination sehr gut zusammenpasst. Doch dazu noch später mehr.
Leider hatte ich erstmal so gut wie keine Dokumente und keine Historie zu dem Fahrzeug bekommen. Erst nach und nach erschließt sich die Geschichte dieses Autos. Die Erben konnten mir keine wirkliche Auskunft geben, da kaum überhaupt jemand wusste, dass das Auto in dieser Garage existiere. Aber ein Verwandter hätte wohl noch ein Dokument, dass man mir senden könnte. Nach ein paar Wochen kam das auch an – und es ist vermutlich ein sehr wichtiges Dokument zur Historie: Eine „Ausweiskarte“ zum Anmelden des Fahrzeuges, ausgestellt von der Zollfreizohne in Hall in Tirol. Ich wusste, dass der XK in Deutschland erstmals ausgeliefert wurde von meiner Anfrage beim Jaguar Heritage Trust. Bei einem Import nach Österreich wären Zoll und Mehrwertsteuer auch für einen gebrauchten Wagen angefallen. In dieser Zollfreizone hätte man natürlich einiges an Geld gespart. Aber das ist alles nette Information, aber die wichtigsten Daten sind: Die Ausweiskarte ist von 1983, bezieht sich auf eine „Zollamtliche Verbuchung“ von 1973 – und ist als Duplikat ausgeführt. Die Motornummer des Ersatzmotors ist bereits in diesem Dokument erwähnt!
Soweit ich aus den Belegen und aus Gesprächen mit involvierten Personen rekonstruieren konnte, kam das Fahrzeug bereits in den frühen 1970ern nach Österreich. Ausgeliefert wurde es von Jaguar an den deutschen Generalimporteur. Fakt ist, dass der ersatzweise eingebaute MK1-Motor vorher „passiert“ sein musste. Es gibt keine Hinweise, dass der XK150 in Österreich angemeldet wurde. Der Mithilfe von Jaguar Austria und deren penibel geführtem Archiv konnte ich eruieren, dass auch kein „Ersatztypenschein“ oder ähnliches ausgestellt wurde. Das oben genannte Duplikat hat sich vermutlich der verstorbene Eigentümer selbst besorgt. Ich habe noch andere Autoteile verpackt in Zeitungen im Konvolut gefunden. Die Tiroler Tageszeitung war auf 1977 datiert. In Italien hatte man damals Probleme mit Linksextremisten, stand zumindest in der Zeitung, und Wohnungen und ein Jaguar XK150 waren auch noch leistbar. Solche Funde, oder Beifang, sind immer eine tolle Ergänzung und machen die Recherche interessant wie ein Kriminalfall. Auch das gehört zum Abenteuer einer Restauration.
Einer der involvierten Personen konnte mir zumindest mitteilen, dass das Auto wohl lange im Besitz des Herrn B. gewesen war: Gut 40 Jahre lang. Weitere Recherchen, auch mit den Zulassungsbehörden ergaben, dass der Wagen niemals in Österreich zugelassen war.
Soweit steht zumindest folgendes fest:
Der Jaguar kam 1960 nach Deutschland, hatte in den folgenden Jahren einen Motorschaden und erhielt einen MK1 Motor. Der originale Motor ist in der Geschichte verloren gegangen. 1973 wurde der Wagen nach Österreich importiert und es erfolgte die zollrechtliche Behandlung und Ausstellung eines Dokuments. Zehn Jahre später, 1983 ist der Wagen bei Herrn B., der vermutlich das Duplikat ausgestellt ließ. Zu dem Zeitpunkt wies der Wagen bereits Rostschäden auf, die Herr B. zu reparieren begonnen hatte. Sicherlich hatte der Wagen bereits vor 1973 einige dieser Schäden. Korrosionsschutz war in den 1960ern kein Thema mit dem sich Autoindustrie befasste – einige behalfen sich damit dass sie das Auto unten mit Altöl einpinselten. Einige Teile, wie die Rücklichter, Fenster und Türdichtungen, die etwas verwittert sind, lassen den Schluss zu, dass der XK auch einige Zeit draußen gestanden haben muss. Was war also geschehen?
Der Tachometer ist natürlich in km ausgeführt. Der aktuelle Stand zeigt 43.497 km an. In den 1960ern und 170 fuhr man beträchtlich weniger mit dem Auto, so durchschnittlich 6.000 km pro Jahr in Deutschland und noch weniger in Österreich. Man darf auch nicht vergessen, dass es 1973 zum sogenannten Ölschock gekommen ist. Damals wurden Fahrzeuge, wie dieser XK150, wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen. Das erklärt auch warum der Wagen für gut 10 Jahre in Vergessenheit geraten war und wohl den Elementen preisgegeben wurde. Aus eben diesen Gründen, kann man davon ausgehen, dass der angezeigte Kilometerstand wohl korrekt ist. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Tachometer schon einmal die 100.000 km passiert hat.
Zum Motor: Der MK1 wurde ab 1957-1959 mit dem 3.4 Liter Motor gebaut. Die Motornummer KE7850-8 legt nahe, dass dies wohl der 7850igste Motor im MK1 ist. Beim Passieren der 10.000er Marke wurde dann das Prefix KF verwendet. Das heißt der Motor wird wohl um 1958 gebaut worden sein und dürfte auch keine Laufleisten haben, die massiv über der des XK150 liegt.
Der XK150 kommt heim!
Dann war endlich der Tag gekommen meinen XK150 abzuholen. Sehr früh morgens machte ich mich mit Kurt, einem befreundeten Leidensgenossen auf den Weg nach Tirol um mein Auto abzuholen. Ich hatten einen T5 und einen Anhänger ausgeborgt und auf ging‘s nach Tirol. Bei Salzburg bogen wir nach Zell am See ab, denn wegen der COVID-bedingten Grenzkontrollen hätten wir mit längeren Staus zu rechnen gehabt, wären wir über das sogenannte deutsche Eck gefahren. Unterwegs gönnten wir uns ein Frühstück und so nach fünfeinhalb, sechs Stunden erreichten wir das Dorf im Tiroler Alpenvorland, wo der XK150 in einer Garage stand. Von den Erben sollte auch jemand da sein um zu helfen. Ich hatte ersucht, alles so zu lassen, damit ich den Garagenfund als solches auch dokumentieren konnte. Leider hatte ich in der Eile des Gefechtes völlig vergessen die Batterie der Spiegelreflexkamera auf zu laden – so musste ich auf das Mobiltelefon zurückgreifen, dessen Ladestand wegen der Navigation auch schon gelitten hatte. Alles in allem suboptimale Umstände um eine schöne Dokumentation zu machen.
Als wir endlich angekommen waren, war die Szene perfekt. Wir wurden herzlich begrüßt. Das Garagentor verschlossen und völlig verwachsen. Wir benötigten eine Brechstange um das Tor zu öffnen, denn es war mit Nägeln zu gemacht, das Schloss hatte schon vor vielen Jahren versagt. Dann kam der aufregendste Moment in so einem Abenteuer – da Stand er nun, MEIN XK150! Ich ging in die Garage um alles zu inspizieren und mir eine Übersicht zu verschaffen. Die Erben hatten versucht das Auto zu bewegen. Ich rechnete fest damit das Auto mit steckenden Bremsen und blockierenden Rädern mit vereinten Kräften auf den Anhänger zerren zu müssen. Doch Kurt ist immer und für alles gerüstet! Er holte seinen akkubetriebenen Kompressor und pumpte die Reifen auf, einem nach dem anderen. Kaum zu glauben, aber die Reifen hielten immer noch die Luft nach den ganzen Jahren! Wir hatten den Anhänger direkt vor die verhältnismäßig kleine Garage geparkt und konnten den XK komplett ohne Mühe auf den Anhänger mit der Seilwinde ziehen. Damit hatte keiner gerechnet!
Ich hatte zwischenzeitlich die Möglichkeit das Auto etwas näher anzusehen. Ich hatte alles etwas abgeklopft, aber das befürchtete Rieseln von Rost und Dreck war ausgeblieben. Die Karosserie was sehr sauber. Einige Stellen waren repariert worden, aber so stark durch gerostete Stellen waren mir nicht aufgefallen. Alles war in Teilen, es gab alte Teile, neue Teile, diverse Ersatzteile sogar noch originalverpackt. Manches hatte Herr B. sogar schon neu gekauft. Ein Teil davon war am Dachboden gelegen, so vermutlich auch die Sitze, die wirklich in überraschend gutem Zustand waren. Die Zeit drängte und, da ich in der kurzen Zeit nicht entscheiden wollte was gut war, was nicht und was zum Auto passte und was nicht nahm ich einfach alles mit was nach Autoteilen aussah. Darunter auch ein B-Type Kopf von einem MK1 mit Vergasern drauf und eine Ölwanne, die aber nicht vom XK stammte. Der T5 war randvoll gepackt, trotzdem schafften wir es nicht alles mitzunehmen. Eine Ladung, die in einem PKW-Kombi Platz hat, stand noch aus. Wir fuhren zurück und um ca. 20 Uhr erreichten wir unser Ziel. Den XK150 abzuladen und alles auszuladen dauerte noch seine Zeit. An dem Tag bin ich um 6 aus dem Haus und um 23 Uhr nachhause gekommen. Wahrlich ein langer Tag!
Eine Woche später habe meine Frau auf einen Kurzurlaub in Zell am See eingeladen, sie dort ausgeladen und bin dann allein nach Tirol weitergefahren, um alles abzuholen. Mit knapper Not habe ich alles untergebracht und konnte den Rest unseres Kurzurlaubes genießen.
Fortsetzung folgt!